Auszeichnung für eine Kämpfernatur,
Geschrieben von: Taunus - Zeitung   
Samstag, den 12. Dezember 2015

Die Homburgerin Helga Matthiessen erhielt das Bundesverdienstkreuz für ihren Einsatz für Humanität


Wenn Helga Matthiessen, heute Geburtstag feiert, dürfte auch das Bundesverdienstkreuz am Bande, das die Kämpferin für Humanität vergangene Woche überreicht bekam, ein Thema sein.

VON MONIKA MELZER-HADJI


Bad Homburg. Man könnte annehmen, dass eine Frau in den 1970er Jahren mit der Erziehung von drei Kindern und einem anspruchsvollen Vollzeitberuf ausgelastet war. Nicht so Helga Matthiessen, die zusätzlich Zeit und Elan fand, sich im Frauengefängnis Preungesheim zu engagieren und mehr als 40 Jahre lang im Vorstand des Mutter-Kind-Heims der JVA tätig war. Ein Vortrag der damaligen Gefängnisleiterin Professor Helga Einsele, die sich für die Humanisierung des Strafvollzugs einsetzte und dabei insbesondere die Situation von inhaftierten Müttern (deren Kinder damals noch von ihnen getrennt wurden) reformierte, hatte sie inspiriert.

Das war eine Thematik, die die in Frankfurt geborene Diplomkauffrau fortan gerne und von ganzem Herzen unterstützte, anfangs als Schatzmeisterin, später als Vorsitzende des Vereins. „1945, als Zwölfjährige, hatte ich den Entschluss gefasst, mich verantwortlich zu fühlen, dass nie wieder der Staat die Möglichkeit erhält, in unserem Namen derartige Verbrechen zu begehen. Ich wollte einen Aufbruch wagen, zusammen mit anderen eine friedlichere Welt aufzubauen“, erklärt sie ihre Motivation und weiter: „Mangel an mütterlicher Liebe kann ein ganzes Leben ruinieren, das ist ein Teufelskreis, den wir mit unserer Arbeit durchbrechen wollen.“

Lobbyistin für Mütter

Am heutigen Samstag wird Helga Matthiessen 83 Jahre alt. Obwohl seit wenigen Jahren nur noch „normales“ Mitglied des Vereins, ist sie bis heute eine Lobbyistin der Mütter im Strafvollzug, die sie als „fehlbare Frauen, keine hoffnungslosen Fälle“ bezeichnet und denen der Verein unter anderem dabei hilft, innerhalb des Gefängnisses die Mutterrolle bestmöglich zu gestalten und sich danach wieder in die Gesellschaft zu integrieren. „Die Kinder haben nichts getan, ihre Bedürfnisse müssen über denen der Erwachsenen stehen, denn sie sind die künftige Generation“, ist ihr Credo.

Für ihre mehr als vier Jahrzehnte lange ehrenamtliche Tätigkeit wurde Helga Matthiessen nun das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. „Sie hat mit ihrem steten und unermüdlichen Einsatz, intensiven Bemühungen, Optimismus, ihrer Herzlichkeit und ihrem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit wesentlich dazu beigetragen, dass der Verein Mutter-Kind-Heim Preungesheim seine wichtige sozialpolitische Funktion im Zusammenspiel mit der Anstaltsleitung, sozialen Organisationen sowie Behörden wahrnehmen konnte“, sagte Hessens Europaministerin Lucia Puttrich (CDU) in der Laudatio.

Für die Gerechtigkeit

„Ich bin in gewisser Weise stolz auf diese Auszeichnung, ich weiß schon, was ich da getan habe und dass es mir viel bedeutet hat. Aber das habe ich nicht allein erwirkt, ich habe nur mitgewirkt“, erklärt die Homburgerin. In die Wiesbadener Staatskanzlei wurde Helga Matthiessen von ihrem Mann Jürgen und einem Großteil der Familie, zu denen inzwischen neun Enkel- und drei Urenkelkinder gehören, begleitet. Ihre Dankesrede beendete die Kämpferin für Gerechtigkeit mit dem Appell, die vor einigen Jahren erlassenen Vorschriften zur Einschränkung von Vollzugslockerungen wieder zu ändern. Der ehemalige Gefängnisleiter Norbert Müller gratulierte anschließend anerkennend: „Diese Rede war-typisch für Sie!“



Ministerin Lucia Puttrich (links) überreichte das Bundesverdienstkreuz am Bande an Helga Matthiessen. Foto: tz